Es ist Freitag Abend an einem schönen und schon recht warmen Frühlingstag in Berlin, Kreuzberg. Recht schnell hatten sie einen Parkplatz für ihren alten Mercedes E190 gefunden. Jenen Traumwagen aller Familienväter in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Der bedrohlich in die Jahre gekommen war. Und inzwischen einen Trabant in Bezug von Rauchzeichen in nichts nachsteht. Auch sonst markierte dieser umweltgerechte Nichtdiesel sein Revier. In Form von einigen Tropfen aus Motor und Getriebeöl.
Der Besitzer des fahrbaren Rostumwandlers beginnt zusammen mit seiner Begleitung langsam die Straße entlangzulaufen. Er, Umweltreferent im Berliner Senat. Aktives Mitglied der Bündnisgrünen und Organisator bei der Antifa. Seine Begleitung ist als Oberstudienrätin nicht minder aktiv unterwegs. Fridays vor Future und geschlechterloses Klöppeln von Tischdecken sei nur am Rande erwähnt. In ausgelatschten Birkenstocks und in Batiktücher gewickelt schlurfen sie langsam in richtigen Restaurant.
Zur gleichen Zeit macht sich ein Ehepaar mittleren Alters auf den Weg zum gleichen Ziel. Auf betagten Fahrrädern rollen sie langsam durch die Straßen. Ohne einen Funken von Hektik rollen sie, mit der Vorfreude auf ein schönes Abendessen, in eines der angesagtesten Restaurants.
Nach 3 Minuten anstrengenden Fußmarsch haben die beiden Umweltaktivisten das Restaurant erreicht. Zu ihrem Leidwesen sind alle Sitzplätze im Außenbereich belegt. Wenn man aber richtig hinsieht, kann man mehrere Gäste erkennen, wie diese die freien Plätze an den Tischen geschickt durch ihre Körper oder Handtaschen optisch verdecken. Diesen Gästen steht die sprichwörtliche Angst vor Läusen ins Gesicht geschrieben.
Die Umweltaktivisten platzieren sich an dem letzten freien Tisch im Restaurant, welches auch innen sehr gut besucht ist. An der Theke wechselt das Personal unterdessen abschätzende Blicke. Wer wird sich wohl erbarmt diese Gäste zu bedienen. Alle schauen die Restaurantleiter an und schütteln ablehnend den Kopf. So muss dieser notgedrungen zu dem Tisch.
„Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“, fragt er die Gäste.
„Ich möchte gerne einen Jasmin Tee mit braunen biologisch erzeugtem Zucker“, antwortet die Oberstudienräten süßlich.
„Sehr gerne.“ Ist die professionelle Antwort des Restaurantleiters,
„Und der Herr?“ Fügt er schnell hinzu.
„Ja ähm. Ich möchte gerne ein alkoholfreies Biobier.“
„Ja gerne, möchten sie auch die Karte haben?“, fragt er höflich nach. Auch wenn er sich vor der Antwort fürchtet.
„Ja bitte. Sie haben auch vegane Gerichte?“, frag die Oberstudienrätin, welche scheinbar den Ton angibt.
„Selbstverständlich. Ich bringe Ihnen die vegetarisch-vegane Karte.“, antwortet der Restaurantleiter und verlässt sehr schnell den Tisch. Noch juckt es nicht auf seinem Kopf.
Zurück am Tresen gibt er schnell aber bestimmt die Anweisung für die Getränke an seinen Mitarbeiter. „Einen Jasmin Tee mit braunem Biozucker, und ein alkoholfreies Biobier.“ Seine Mitarbeiter schauen ihn ratlos an, als von einem Tisch aus der Nähe zu hören ist: „Buntstifte und Malheft aber nicht vergessen.“
Genau in diesen Moment betritt das ältere Ehepaar das Restaurant und schaut sich nach einem Tisch um. Der Restaurantleiter sieht diese und wendet sich an sie mit den Worten: „In knapp 10 Minuten wird ein Tisch frei. In der Zwischenzeit lade ich Sie gerne zu einem Landwein am Tresen ein wenn Sie möchten?“
Das Ehepaar nickt zustimmend, setzt sich an den Tresen und bestellt sich dann 2 Bier. Die ihnen der Restaurantleiter gerne spendiert nachdem er bei den Umweltaktivisten sehr schnell die Speisekarte abgeliefert hat.
Zwei Minuten später serviert der Restaurantleiter den Umweltaktivisten die vermeintlichen biologischen Getränke. Die Mädels hinter dem Tresen haben gut improvisiert, dass muss man ihnen lassen.
„Haben Sie schon gewählt?“, fragt er mit sanfter Stimme.
„Ich nehme orientalisch gefüllte Tomaten als Hauptgericht und Kürbiscremesuppe als Vorspeise“, säuselt die Oberstudienrätin ihm entgegen.
„Ja gerne. Und der Herr?“, fragt der Restaurantleiter daraufhin.
„Ja ähm. Süßkartoffel-Curry mit Kokos-Erdnuss-Soße und Auberginen-Röllchen davor.“
„Danke“, antwortet der Restaurantleiter und will sich auf den Weg machen, um die Bestellung in der Küche abzuliefern.
Als ihn eine Frage stoppt. Eine der Fragen, mit den er heimlich gerechnet hat.
„Werden die Speisen in wirklich fleischfreien Geräten zubereitet? Sind in den Pfannen vorher noch nie Fleisch oder tierische Produkte zubereitet worden?“
An den Nachbartischen ist plötzlich jedes Gespräch erloschen. Der Restaurantleiter bleibt kurz stehen, holt tief Luft und dreht sich dann zu den Fragestellern um.
„Die Herrschaften werden sich noch etwas gedulden müssen. Einer der Küchenhelfer wird sich gleich auf den Weg zum Gastrogroßhandel machen, um nagelneue Pfannen, Töpfe, Kochlöffel, 5 Sätze Küchenmesser, 4 Packungen Latexhandschuhe, ein 12-teiliges Besteckset und weiter Küchengeräte, welche für die Zubereitung Ihrer Speisen notwendig sind, zu kaufen. In ca. 2 Stunden wird die Küche dann mit der Zubereitung ihrer Bestellung beginnen können. Mit Gerätschaften die vorher noch nie mit einem tierischen Produkt in Berührung gekommen sind. In der Zwischenzeit müssen Sie leider neben den Tisch stehen, da der Polstermeister Ihre Stühle mit einem biologisch ökologisch unbedenklichen Jutestoff neu beziehen wird. Damit Sie sicher sein können, dass sich Ihr Gesäß auch garantiert auf nicht tierischen Produkten breit sitzen muss.
Leider muss ich nun zu einem recht unangenehmen Teil kommen. Der Tischler hat Feierabend. Daher ist es uns nicht möglich Ihnen einen klimaneutralen nachwachsenden Tisch zur Verfügung zu stellen. Da wir nicht ausschließen können das auf dem Tisch vor Ihnen im Laufe der Zeit tierische Produkte auf der Tischoberfläche gelandet sind. Unser Reinigungspersonal hat diese zwar fachgerecht beseitigt. Es kann keine Garantie über eine mögliche Verunreinigung mit nicht veganer DNA geben.
Wie Sie sehen, werden wir alles erdenklich Mögliche tun, um Ihnen einen fast gänzlichen fleischfreien Abend zu ermöglichen. Was sich schlussendlich auch in Ihrer Rechnung widerspiegeln wird. Sie bekommen die ganzen neuen Küchenutensilien beim Verlassen des Restaurants bereitgestellt. Nach Begleichung der Gesamtkosten versteht sich. Eines können wir allerdings nicht durchführen. Die anderen Gäste, welche ja tierischer Natur, und somit Fleisch sind, können und werden wir nicht des Raumes verweisen
Ich hoffe ich habe Ihre Fragen hinreichend beantworten können.“
Totenstille herrschte in dem Moment im Raum. Alle anderen Gäste schauten gebannt. Bis eine schrille Stimme die Ruhe durchschneidet.
„Wir gehen, sofort. Das ist ja unerhört hier“, keift die Frau Oberstudienräten und verlässt mit dem Gefährten fluchtartig das Restaurant.
Kaum hatten die Straße erreicht, brach lautes und schalendes Gelächter aus.
Der Restaurantleiter ging langsam zu dem Ehepaar am Tresen.
„In 5 Minuten können Sie sich gerne an den Tisch setzten. Der Service macht nur kurz sauber. Damit Sie einen schönen Abend haben.“
Die beiden nickten verlegen und doch glücklich.
An diesem Abend hat das Personal so viel Trinkgeld wie noch nie erhalten. Und den Gästen wird dieser Abend noch lange im Gedächtnis bleiben.
An dieser Stelle freue ich mich gerne über eine kleine Kaffeespende. Den Kaffee ist der Energiespender aller Künstler in jeder Jahreszeit. Besonders für die, die keinen Alkohol trinken. Per Paypal einen Euro für einen Kaffee.
Dieser Text ist auch als Podcast vorhanden. Für Hören statt lesen.
Suuuuuper – wiedermal ein saugeiler (sorry) Beitrag…! Danke…!
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Ich nehme orientalisch gefüllte Tomaten. der Hammer!!!!!
Ja so kann es gehen, durchaus.
Herrlich dargestellt!
Das Foto dazu finde ich auch klasse!
Auch ne Geschichte wo ich mich nicht ran traue.
Grüße
Günter
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Das Bild ist einfach. Braucht nur ein wenig Zeit und Ruhe.
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Puh, jetzt habe ich Appetit auf ein Steak. 😉😂
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uuuffff .. jaaaaa würde ich auch nehmen 🙂
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Schon allein deswegen würde ich kein Vegetarier werden wollen. 😋
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