Eigentlich .. ja eigentlich war es als ganz normales Shooting mit Jin aus Korea geplant. Doch der Reihe nach erzählt.
Vor ein paar Wochen sprach der liebe Willi, seines Zeichens Boss von der Fotofabrik MG – VIE. Mich und auch weiter Studiomitglieder an. Ob wir nicht Interesse an einem Model als Korea hätten. Dazu gab es ein paar kleine Vorschaubilder, die schwarzweiss aber dazu sehr dunkel waren. Mich sprachen die Bilder nicht so an , aber das Model hatte was. Was konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht sagen. Da es sich um ein Model handelt, welches von dem modeln lebt, war klar das man für das Shooting als Fotograf etwas an Bargeld locker machen mußte.
Das hat allerdings den Vorteil. Man kann als Fotograf „seine“ Ideen und Vorstellung umsetzten. Was allerdings nicht bedeutet, das jedes Model dieses auch mitmachen muß. Dieses muß an der Stelle erwähnt werden. Da sonst die Herrn Knipser schnell der Meinung sind. „Ich bezahle, ich verlange, Ich haben zu bekommen“. Zu diesen Thema ist ein Artikel von mir schon in Arbeit.
Doch zurück zu Jin. Den Kurs den das Model als Fernost aufruft, lies mich nur zweifeln ob es ein 3 oder 4 Stundenshooting werden soll. Billig wäre das absolut falsche Wort. Preiswert trifft es auch nicht. Eigentlich könnte man sagen ist war ein TFP Shooting mit einer Fahrgeldbeteiligung. Am ende buchte ich ein 2 Stunden Shooting. Doch was man als Fotograf dafür geboten bekam, ist mit wenigen Worten nicht zu beschreiben.
Für meine Person ungewöhnlich früh, traf ich Studio ein. Zu meiner Freude war ein Kollege schon fleissig mit Jim am arbeiten. So das ich neben einen Smaltalk mit Willi und Maria Jin bei der Arbeit beobachten konnte. Und was ich sah, war eine kleine Person mit einer Körperbeherrschung die man nur sehr selten sieht.
Eine knappe viertel Stunde vor meiner Setzeit. War der Kollege mit seinem Arbeitsprogramm durch. Eine Sache die ungewöhnlich ist. Da die Fotografen meist oder oft hinten heraus gerne ein wenig überziehen. Ich dachte mich nicht böses dabei und bedankte mich artig. Es folgte ein kurzer Smaltalk mit Jin, der nur deshalb kurz war. Da ich bekanntlich außer sächsich und hochdeutsch keine weiter Fremdsprache spreche.
Doch unter Model und Fotografen dieser Welt gibt es ja noch eine weiter Sprache. Hand und Fuß und Kauderwelsch klappt es immer irgendwie. In dieser universal Sprache geb ich Jin ein Outfit, welches erst am Vortag für dieses Shooting geliefert wurde. Ein Outfit für 3,75 € inkl Versand aus England. Jin sog sich um und es konnte losgehen.
Die ersten 10 Minuten nutze ich bei einem unbekannten Model immer. Um sie zu studieren. Wo sind die „Problemzonen“ wo ist die „Schokoladenseite“ Welche Posen passen zum Model welche nicht. Doch was ich in diesen ersten Minuten von Jin geboten bekam. Gab mir einen Vorgeschmack wie anstrengend das Shooting für mich werden sollte. Ja. Ihr lest richtig für mich. Jin zeigte mir eine Art Taichi für Fotografen. Langsame fließende Bewegung in Asiatischer Perfektion. Wobei man genug Zeit hatte den richtigen Blickwinkel für das Bild zu finden. Bei einen „Hold“ verharrte Jin in der Pose bis man „Okay“ sagte oder der Kontrollpiep der Blitzanlage ertönte. Als Folge waren ca 20 Bilder in den ersten 10 Minuten auf der Speicherkarte gelandet.
Nach diesen ersten 10 Minuten, geht es bei meiner Shootingplanung an die Umsetzung von meinen Bildideen. Nur mit dem Unterschied, das ich mich heute nicht „warm“ geschossen hatte. Sondern das ich fast schon am Limit war. Und so gab ich Jin als Anweisung ein einfaches „Slow“. Sie machte alles ein wenig langsamer, wartete in Ruhe darauf. Das ich das Licht so hatte, wie ich es wollte. Um dann nahezu in Zeitlupe, mit einer Eleganz die Posen so zu liefern, wie ich sie gerne hätte. Ohne das ich ein Wort über die Posen gesagt hatte. Jin sah die Kamera, sah das Set, sah wie das Licht gestellt war und lieferte die Posen dazu. Anmutig und in vollkommener Perfektion.
Ich dagegen war zum Knipser degradiert. Ich konnte nur noch den Auslöser betätigen und die Leistungsgrenze der Blitzanlage ausloten. Korrekturen in Mimik und Posing waren unnötig. Und überflüssig dazu. 30 Minuten später war Set 2 Geschichte und 20 weitere Minuten war auch Set 3 abgearbeitet. Ich brauchte eine Pause, ich brauchte eine Idee. Denn alles das was ich mir vorgenommen hatte. All das war schon erledigt. Und jetzt ?
In einem kurzen Gespräch erzählte ich Willi , wie ich mir das nächste Set vorstellen würde. Er jedoch gab mir die Tips um es besser zu machen. So verschwand die Softbox aus dem Set und zwei Spots kamen zum Einsatz. Und Jin ?
Sie überraschte mich wieder. Machte mich wieder sprachlos und zum Knipser. Denn eines hatte ich noch nie bei einem Model erlebt. Jin bekam ein Outfit und ohne das man es sagen mußte. Ohne ein Wort von mir bezog sie das Outfit in die Posen ein. Bei den meisten Models die ich bis jetzt shooten durfte. Kam die Frage, was sie mit den outfit machen sollen. Nicht so bei Jin. Was sie in den ersten Sets begonnen hatte, brachte sie jetzt zu Vollendung.
Sie spielte mit dem Outfit, sie spielte in dem Set und sie spielte mit mir. Asiatischer Tanz in einem Studio am Niederrhein mitten in Zentraleuropa. Da hast du als Fotograf nur das Nachsehen und die Pflicht. Die Blitzanlage an ihre Belastungsgrenze zu bringen. So lange der Schweiss dir nicht in die Augen läuft.
Pause. Ich war fertig. Fix und fertig. Und wieder die Frage was jetzt. Okay Outfit erweitern. Set bleibt gleich. Next Round. Jetzt mit mehr Bewegung. Schnelleren Bewegungen. Kürzere Zeit zwischen dem Auslösen der Kamera. Neben Blitzanlage und und Fotogarf, der langsam immer müder wurde. Mußte die Canon nun zeigen wie sie die Belastung ertragen kann. Nur Jin sah aus, als wäre es das Aufwärmprogramm. Noch 40 Minuten Shootingzeit verblieben mir. Eine halbe Ewigkeit , wenn man müde und inzwischen Ideenlos ist.
Rettung in der Not war Willi. Zum zweiten Mal an den Tag. Er hatte meine missliche Lage erkannt. Und reichte Jin eine Geige. Sie ließ sich kurz erklären wie man das Instrument halten muß. Und los ging die nächste Show.
Nach 30 sec hat man gedacht, vor einem steht eine Musikerin die klassischen Tanz hauptberuflich macht. Das Jin den Bogen nicht richtig in der Hand hält. Sieht wahrscheinlich an Ende kein Mensch.
Unaufhaltsam wurde ein Bild nach dem nächsten auf der Speicherkarte abgelegt. Und nach gefühlten 3 Stunden Dauerfeuer. Die am Ende nur 1:45h waren. War ich am Ende. Nichts ging mehr. 670 Bilder waren gespeichert. Das Model so fit, das es noch ein paar Aufwärmübungen machte.
Am Ende war ich um eine Erkenntnis reicher, teure Topmodels sind nicht zwangsläufig Top in ihrer Arbeitsweise. Mag sein das mich diese Aussage um die nächsten Shootings bringen wird. Mag sein das viele Model jetzt denken. „Der Arsch. Mit dem arbeite ich nie wieder zusammen.Der will nur billige Models.“ Aber leider ist es so.
Mädels, wenn ihr Topleistung und auch wieder Spaß am Modeln habt. Dann sind die Fotografen auch bereit ein wenig tiefer in die Tasche zu greifen. Doch wenn das falsche Outfit am Set ist. Lustlosigkeit in euren Augen erkennbar ist. Posen nicht gehalten werden können. Dann braucht ihr euch nicht wundern das man über geschenkte Bilder, die Gage oder Anfahrtpauschalen redet.
Shootingzeit ist die Zeit wo ihr im Set steht. Nicht die Zeit wo ihr Euch mit Selfis machen beschäftigt. Merkwürdigerweise sind da viele Models die auf TFP unterwegs sind. Besser im Set und besser in der Vorbereitung.
P.S. Zu Hause hab ich nach der ersten Durchsicht der Bilder „nur“ 50 Stück gelöscht. 50 Stück die Belichtung nicht passte, oder die unscharf waren. Am Ende bleiben noch 620 Bilder. Aus den ich das beste aussuchen muß. Die Qual der Wahl….eine schöne Qual.
Hallo Lars,
erstmal ein Danke was du bei diesen Temperaturen so alles in den Blog zauberst!
Zu deinem Model, es macht einfach Spaß mit Profis zusammen zu arbeiten!
Auch deine Ehrlichkeit einfach mal Platt und überfordert zu sein! Das hat nicht jeder drauf!
Ich als, mittlerweile blutiger Amateur, wäre dabei hoffnungslos überfordert gewesen!
Schön auch dass ein Studio mit sehr viel Unterstützung an deiner Seite war, auch dies ist nicht selbstverständlich.
Die Fotos und besonders Jin sind beeindruckend!!! Die Idee mit der Geige, ein Hammer!!!
Einerseits reizt es mich mal wieder Studioaufnahmen zu machen aber anderseits zeigt es mir das ich vorher mal wieder die „Schulbank“ drücken müsste um wenigstens 10 gute Fotos zu schaffen.
Respekt Lars!
Grüße
Günter
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Interessant geschrieben und sehr nachvollziehbar. Danke. 👍🙋
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